Aus der Zeit fallen

Zur Schlaflosen Moderne

Talk at the Europa University Viadrina, 16.12.2024

In ihrem Bestreben, den Schlaf (als Form unproduktiven Verlusts) zu denaturalisieren und aus sich zu verbannen, hat die Moderne nicht nur eine ununterbrochene Wachheit geschaffen, sondern auch eine immense Schlaflosigkeit. Paradoxerweise, werden wir in diesem Unvermögen aber gerade heimgesucht von einem verfemten Teil der Moderne, der Trägheit des Körpers. Damit stellt die Schlaflosigkeit nicht nur ein existentielles Phänomen dar, sondern ruft eine spezielle Form historischen Bewusstseins auf.

Zwei Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung unterschied der Begründer der Zeitrechnung, Artemidorus von Daldis, zwei Arten von Träumen: jene, in denen die Götter eine Nachricht sanden (oneiroi oder lateinisch visa) und denen, die der unerlösten Vergangenheit der Sterblichen erwuchsen (euhypnia oder lateinisch insomnia). Wie Macrobius hinzufügt, entstehen diese schlaflosen Träume aus der abgefallenen oder abgeleiteten Natur des Menschen als endliche, d.h. heißt, der Zeit verfallene.